Ein Lokalhistoriker stößt bei seinen Recherchen auf eine umfangreiche Sammlung alter Feldpost aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Dabei handelt es sich um Liebensbriefe von der Front. Im Verlauf seiner Nachforschungen ergeben sich - eher zufällig - Verbindungen zur Neuapostolischen Kirche in Bad Homburg: Beim Verfasser der Briefe handelt es sich um Martin Wagner, den späteren Priester und ersten Gemeindevorsteher der im Jahr 1920 gegründeten neuapostolischen Kirchengemeinde in der Kurstadt. Dass sich das alles passend zum 100-jährigen Jubiläum der Gemeinde ereignet, setzt dem Ganzen noch die Krone auf und hätte man wohl in keinem Drehbuch besser schreiben können. Auch die regionale und lokale Presse berichtete bereits über diese schöne Geschichte.
Insgesamt sind über 700 Feldpostbriefe und Karten erhalten, die sich Martin Wagner und seine spätere Frau Ottilie Meireis geschrieben haben. Zu den Hintergründen haben wir mit unserem Gemeindemitglied Christa Fink gesprochen. Sie kümmert sich als Mitglied des Geschichtlichen Arbeitskreises Gonzenheim mit um die Auswertung der alten Briefe. Über sie kam auch die Verbindung zwischen den historischen Briefdokumenten und unserer Kirchengemeinde zu Stande.
Liebe Christa, es klingt ja fast wie eine Geschichte aus einem Roman: Einem Heimathistoriker werden von einer ortsansässigen Bürgerin alte Unterlagen zur Verfügung gestellt, die Verwandte beim Ausräumen eines alten Hauses gefunden haben. Weil er sich parallel zufällig auch mit der Chronik der Neuapostolischen Kirchen in Bad Homburg beschäftigt, zeigen sich plötzlich interessante Überschneidungen: Der Verfasser der romantischen Liebesbriefe von der Front ist der spätere erste Vorsteher und Priester der neuapostolischen Kirchengemeinde in Bad Homburg. Und das Ganze ereignet sich noch rund um das 100-jährige Jubiläum zur Gründung der Gemeinde. Erzähl‘ mal, wie kam es denn dazu?
Es ist schon eine sehr spannende und auch romantische Geschichte – und das alles auch noch passend zum 100-jährigen Gemeindejubiläum…. Also, seit einiger Zeit bin ich Mitglied im Geschichtlichen Arbeitskreis Gonzenheim. Im Rahmen dieses Engagements habe ich engen Kontakt zum zweiten Vorsitzenden des Geschichtlichen Arbeitskreises Heinz Humpert. Er beschäftigt sich als ehrenamtlicher Historiker intensiv mit Genealogie, also Familiengeschichtsforschung. In diesem Zusammenhang wollte er sich über Gonzenheim hinaus auch verschiedene Kirchenbücher der Innenstadt von Bad Homburg vornehmen. So fragte er mich, ob wir in der Neuapostolischen Kirche Bad Homburg auch Kirchenbücher haben. Ich sagte ihm daraufhin, dass diese größtenteils in einem zentralen Kirchenarchiv in der Nähe von Köln aufbewahrt werden.
Und wie ging es dann vor Ort weiter?
Als Heinz Humpert mir einmal freundlicherweise Blumenschmuck, den ich als Dekoration für den Gottesdienst gesteckt hatte, in die Kirche transportiert hat, habe ich ihm die in unserer Kirche ausgelegte Chronik der Gemeinde Bad Homburg gegeben. So entdeckte er darin beim Durchlesen den Auszug aus der ersten Seite des Kirchenbuchs mit den persönlichen Daten von Martin Wagner, Gründungsmitglied und erster Gemeindevorsteher der neuapostolischen Gemeinde in Bad Homburg, sowie von Ottilie Meireis, der späteren Ehefrau von Martin Wagner. Diese Angaben deckten sich – und das ist ein wirklich spannender Zufall – mit den Namen, auf die er im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Arbeit über die Stadtgeschichte bzw. insbesondere die Geschichte des Stadtteils Gonzenheim gestoßen war. Und zwar beschäftigte er sich damals mit einer sehr umfangreichen Sammlung von Feldpostbriefen und Karten aus dem Ersten Weltkrieg, die bei einer Haushaltsauflösung gefunden und dem Geschichtlichen Arbeitskreis Gronzenheim zur Verfügung gestellt wurden. Verfasser der Briefe war eben jener Martin Wagner, der später im Jahr 1920 die Neuapostolische Kirche hier in der Stadt mit gegründet hat. Das Wohnhaus der Familie im Haberweg im Stadtteil Gonzenheim diente der Kirchengemeinde als erste Versammlungsstätte für Gottesdienste und war damit die Keimzelle unserer Gemeinde, hier nahm alles seinen Anfang.
Christa, du engagierst dich ja auch im Geschichtlichen Arbeitskreis. Was ist im Zusammenhang mit den Feldpostbriefen deine Aufgabe und wie bewertest du die Briefe?
Die in Sütterlinschrift geschriebene Feldpost übersetze ich gerade in unsere lateinische Schrift, damit wir sie heute und auch die nachfolgenden Generationen lesen können. Ich habe große Freude an dieser Arbeit. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und der Kommunikation über Kurznachrichten usw. werden kaum noch Briefe geschrieben, so sind solche Zeitdokumente für immer verloren.
Die vorliegenden Dokumente sind schon etwas ganz Besonderes, bedenkt man, dass sie direkt von der Front des ersten Weltkriegs stammen. Es spiegeln sich darin die romantische Liebe zwischen zwei jungen Menschen unter schwierigsten Rahmenbedingungen: Er als Soldat an der Front, sie im heimischen Bad Homburg. Die Briefe und Karten lassen dabei auch tiefe Einblicke in das Gefühlsleben und die Entwicklung der beiden zu. Es ist eine anrührende Geschichte und eine Zeitreise in die Vergangenheit. Rosamunde Pilcher hätte sie nicht schöner schreiben können, es ist keine erfundene Geschichte, sondern Realität. Es sind wirklich beeindruckende Dokumente mit zeitgeschichtlichem und gleichzeitig lokalem Bezug.
Und das alles noch vor dem Hintergrund des 100jährigen Geburtstags der Kirchengemeinde…
Ja, was mich dabei besonders freut, ist die Tatsache, dass diese Geschichte auch einen Bezug zu unserem 100-jährigen Kirchenjubiläum hat. Die hiesige Presse hatte auch großes Interesse und berichtete am 26. März.in der Bad Homburger Woche und am 30. März 2020 in der Taunus Zeitung jeweils in Berichten ausführlich über die schöne Geschichte der Liebesbriefe von der Front. Der Sohn von Martin Wagner ist heute 98 Jahre alt und lebt mit seiner Frau noch in Gonzenheim. Die Familie hat dem Geschichtlichen Arbeitskreis wunderschöne Fotos zur Verfügung gestellt, die wir mit einigen ausgewählten Feldpostkarten auch anlässlich unseres 100-jährigen Kirchenjubiläums präsentieren und somit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen wollen.
Christa, wie hältst du es mit der Frage "Email oder Brief"?
Gerade jetzt in der Corona-Krise, die wir alle gemeinsam zu bewältigen haben, ist es vielleicht einmal eine Anregung, einen lieben Menschen mit einem handgeschriebenen Brief zu erfreuen.
Herzlichen Dank dir für das Gespräch. Wir wünschen dir natürlich auch weiterhin viel Freude und Erfolg beim "Übersetzen" der weiteren Briefe und Karten.
Vielen Dank. Da gibt es noch genug zu tun, da wird mir nicht langweilig (lacht). Ich wünsche allen trotz aller Unwegsamkeiten, die diese aktuelle Pandemie mit sich bringt, segenreiche Osterfeiertage. Passt gut auf euch auf und bleibt gesund!
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Link zum Artikel in der Bad Homburger Woche: Ausgabe 13-2020
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